Engpässe in den Verteilnetzen nehmen zu. Das stellt die Netzbetreiber vor Probleme. Statt ausschliesslich ihre Netze auszubauen, können sie die Flexibilität in Gebäuden nutzen. Eine Lösung dafür liefert SmartGridready.
«Der Solar-Boom bringt das Stromnetz an den Anschlag», schreibt die NZZ. «Tiefe Temperaturen (und Wärmepumpen) führten zu Stromausfall in Kreuzlingen», titelt Watson. Solche Schlagzeilen zeigen: Engpässe im Verteilnetz werden zu einer echten Herausforderung.
Bereits heute kommt es vor, dass Netzbetreiber Anschlussgesuche für Solaranlagen wegen fehlender Netzkapazitäten ablehnen oder Auflagen machen, die Leistung über den Wechselrichter zumindest bis zu einem weiteren Netzausbau zu begrenzen. Solche Beschränkungen bremsen die Energiewende. Und sie zeigen: Den Verteilnetzbetreibern muss ein Spagat gelingen. Einerseits haben sie den Grundauftrag für einen sicheren und kosteneffizienten Netzbetrieb. Andererseits sollen sie die Energiewende ermöglichen.
Hohe Ausbaukosten vermeiden
Das Problem lediglich durch den Netzausbau zu lösen, stellt allein schon wegen der Kosten keine Option dar. Dies belegt eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Energie. Sie kommt zum Schluss: Für den Ausbau der Netzinfrastruktur im Basis-Szenario, mit dem das Netto-Null-Ziel erreicht wird, fallen gegenüber dem Szenario «Weiter wie bisher» zusätzliche Kostenvon 30 Milliarden Franken an. Die Studie zeigt auch: Mit einem optimalen Ladeverhalten bei der Elektromobilität, einer Begrenzung der Einspeisespitzen der Solaranlagen auf 70 Prozent der Anlagenleistung und einem smarteren Stromnetz könnte der Investitionsbedarf um rund einen Viertel gesenkt werden. Dazu müssen diezahlreichen Komponenten des Energiesystems vernetzt werden und miteinander kommunizieren.
Brücke zwischen Verteilnetz und Gebäuden
Als Teil eines intelligenten Energiesystems werden in der Schweiz aktuell sogenannte Smart Meter ausgerollt, welche Produktions- und Verbrauchsdaten erfassen und zur Verfügung stellen. Eigentlich liegt auf der Hand, dass diese Smart Meter als Kommunikations-Gateway dienen könnten. Sie verfügen aber nicht über standardisierte Schnittstellen zu den Anlagen im Gebäude und sind grösstenteils auch nicht mit "Intelligenz" ausgestattet. Eine Folge davon: Die vorhandene Flexibilität in Gebäuden wird derzeit nicht genutzt, die Vermeidung von Leistungsspitzen mit der Glättung von Photovoltaikproduktion (PV) und lokalem Stromverbrauch ist nur beschränkt möglich. Diese Flexibilitäten sind jedoch zentral, damit die Verteilnetzbetreiber ihre Netze gezielt entlasten und damit den Bedarf für den Netzausbau verringern oder den
Ausbau zumindest hinauszögern können.
Hier setzt SmartGridready an und schlägt die Brücke zwischen Verteilnetz und Gebäuden. Das Schnittstellen-Label von SmartGridready ermöglicht eine einfache, rasch umsetzbare Nutzung verfügbarer Flexibilitäten in Gebäuden. Die Schnittstellenbeschreibung von SmartGridready definiert die Kommunikation zwischen dem Verteilnetz und dem Energiemanagementsystem. Auf die gleiche Weise lassen sich PV, Speicher, Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, Smart Meter, Wärmepumpen und weitere Verbraucher in ein Gesamtsystem einbinden. SmartGridready basiert auf einer offenen, standardisierten Beschreibung bestehender Kommunikationsschnittstellen. Auf der Produktseite geschieht dies via Beschreibung der vorhandenen Schnittstelle im XML-Format, auf der steuernden Seite wird ein ergänzender Code für die Interface-Funktionalität integriert. So lassen sich Schnittstellen mit verschiedenen Protokollen in Energie- und Lastmanagementsysteme einbinden. Das Resultat: Die Systeme der Verteilnetzbetreiber und jene auf Kundenseite können miteinander kommunizieren.

Klare Kriterien für das Leistungsmanagement
Einheitliche Schnittstellen erleichtern zwar die Kommunikation zwischen den Komponenten des Energiesystems, sie führen aber allein noch nicht dazu, dass diese sich auch netzdienlich verhalten. Damit die Flexibilität in Gebäuden das Netz wirklich entlasten kann, müssen Verteilnetzbetreiber klare Kriterien für das Leistungsmanagement der Gebäude definieren. Dabei müssen sie darauf achten, den Komfort der Kundinnen und Kunden nicht einzuschränken, da sie sonst die Akzeptanz der Flexibilitätsnutzung gefährden. SmartGridready hat aus diesem Grund ein Gebäude-Label entwickelt, das die Verteilnetzbetreiber bei dieser Aufgabe unterstützt. In der Grundstufe zielt das Label darauf ab, den Netzausbaubedarf zu
verringern. Dies gelingt, indem die Maximalleistung am Anschlusspunkt durch ein Leistungsmanagement innerhalb des Gebäudes garantiert tiefgehalten wird. In den Aufbaustufen ist eine Verteilnetz-Schnittstelle vorhanden und das Leistungsmanagement kann auf die Anforderungen der Netzseite reagieren. Zum Beispiel lassen sich darüber dynamische Tarife nutzen. Damit unterstützt die Kostenoptimierung auf Kundenseite die Stabilität des Stromnetzes. Das Gebäude-Label definiert also Eigenschaften und Verhaltensweisen, die den Verteilnetzbetreibern einen messbaren Nutzen bringen.Absicherungen von Hausanschlüssen werden tendenziell grosszügig ausgelegt und häufig nicht ausgenutzt. Durch das Leistungsmanagement gemäss der Grundstufe des Gebäude-Labels von SmartGridready lässt sich die Maximalleistung verringern. Dadurch können Anlagen bewilligungsfähig werden, die sonst keine Bewilligung erhalten würden. Allerdings haben Gebäude mit Leistungsmanagement andere Verbrauchsprofile als solche ohne. Wenn Leistungsmanagementsysteme in Netzgebieten künftig weit verbreitet sind, sollen die verschiedenen Gebäude aufeinander abgestimmt agieren, um Netzüberlastungen zu verhindern. Hier setzen die Aufbaustufen des Gebäude-Labels von SmartGridready an.
Erfahrung in der Praxis: Netzanschluss mit 125 A statt 200 A
Das Label von SmartGridready ist bereits praxiserprobt. Etwa im Gebäude der Firma Elektroplan in Frutigen. Das Büro- und Wohnhaus mit Solaranlagen unterschiedlicher Ausrichtung auf Dach und an Fassaden sowie Batteriespeicher und Lademanagement für Elektrofahrzeuge ist auf der Grundstufe mit dem Gebäude-Label deklariert. Durch ein intelligentes Leistungsmanagement konnte der Hausanschluss auf 125 A ausgelegt werden statt nach üblicher Dimensionierung auf 200 A. Ein teurer Netzausbau liess sich dadurch gänzlich vermeiden. Eine Schnittstelle zum Netz für die Umsetzung dynamischer Tarife und den Empfang von Signalen des Verteilnetzbetreibers wird derzeit vorbereitet.
Gastautorin

Maike Schubert
Physikerin, Beraterin Erneuerbare Energien bei Weisskopf Partner GmbH, Leiterin der Deklarationsstelle des Vereins SmartGridready