Dynamische Stromtarife waren bisher eher ein theoretisches Modell. Seit Januar 2024 bietet Groupe E ihren Kunden den Vario-Tarif an. Die Preise ändern nach der erwarteten Stromnetzbelastung alle 15 Minuten. SmartGridready hat sich mit Peter Cuony, Leiter Produkte Verteilnetz von Group E, unterhalten.
Aufgewachsen im Kanton Bern, wohnt und arbeitet Peter Cuony seit über zehn Jahren in Murten (FR). Nach einem Master in Electrical Engineering, und einem Master of Business Administration ist Peter seit 2022 Leiter Produkte Verteilnetz bei Groupe E.
Weshalb hat Group E einen variablen Tarif entwickelt?
In der Schweiz haben wir Tarifstrukturen aus letztem Jahrhundert. Und die gesamte Branche ist der Meinung, dass es eine Veränderung braucht. Offen ist, welche. Bei der Groupe E war die Einführung eines dynamischen Netztarifen schon seit mehreren Jahren geplant, und kann jetzt dank dem begonnen Roll-Out der Smart-Meter auch umgesetzt werden. Nun können wir diesen sehr neuen Tarif auszuprobieren und in den kommenden Jahren kontinuierlich verbessern.
Seit 2024 sind vier Smartgridready-deklarierte Energiemanagementsysteme (EMS) mit dem Vario-Tarif kompatibel. Sind diese EMS eine Voraussetzung für den Vario-Tarif?
Group E hat die Standards zusammen mit allen interessierten EMS und SmartGridready definiert. Der Vario-Tarif ist öffentlich verfügbar und kann grundsätzlich von jedem EMS über eine Standard WEB-API abgerufen werden. Der dynamische Tarif wird über diese Internet-Schnittstelle jeweils am Vortag veröffentlicht. Die Schnittstelle kann relativ einfach integriert werden und es gibt auch Kunden, welche die Schnittstelle selbst programmieren.
Gibt es weitere Voraussetzungen für den Vario-Tarif?
Alle Kunden die weniger als 100'000 kWh pro Jahr verbrauchen, können den Tarif nutzen. Grosskunden haben andere Tarife, z.B. mit einem Leistungspreis.
Wird das Lastmanagement durch den Vario-Tarif optimiert?
Ja, heute optimieren die EMS hauptsächlich den Eigenverbrauch. Mit dem Vario-Tarif können diese nun auch fürs das Stromnetz optimieren und machen damit das Gesamtsystem effizienter.
Inwiefern hat SmartGridready die Einführung des Vario- Tarifs erleichtert?
Der Austausch mit SmartGridready war wichtig, um die Schnittstelle für den Vario-Tarif zu entwickeln. Die Erfahrungen in den kommenden Jahren werden zudem eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung spielen.
Wie viel kann im Durchschnitt mit dem Vario-Tarif eingespart werden?
Ich bin der Meinung, dass der Flexibiltätsanreiz so ausgestaltet werde muss, dass die Kunden ca. 10 – 20 % ihre gesamten Stromkosten einsparen können. Im 2024 kommen diese Einsparungen ausschliesslich aus dem Netztarif, aber in Zukunft ist es durchaus möglich, dass auch der Energietarif auch dynamisch ausgestaltet wird.
Wie will Group E den Vario-Tarif weiterentwickeln?
Wir haben diesen Sommer mit den ersten Tests begonnen und ab dem 1.1.2024 werden die ersten Kunden mit dem Vario Tarif abgerechnet werden. Die Auswertung der ersten Ergebnisse im Frühling 2024 werden uns zeigen, wie wir die Tarife für 2025 weiter anpassen können.
Ein Blick in die Zukunft: Wie sieht die Branche in zehn Jahren aus?
Die Energiewende kommt immer schneller ins Rollen und der Druck auf die Verteilnetzbetreiber nimmt zu. Eine grosse Herausforderung im zukünftigen Stromsystem ist die zeitliche Variabilität der Stromflüsse. Eine Möglichkeit, diese Stromflüsse zu beeinflussen sind zeitlich-dynamische Preis. Sobald flexiblen Anlagen, wie Wärmepumpen, Elektroautos und Batterien standardmässig mit einer Optimierung über dynamische Preissignale verkauft werden können dynamische Tarife einen sehr einfachen Beitrag zu einem effizienten Gesamtsystem leisten.